(CB) Die Altenpflege ist systemrelevant, nicht nur in der Corona-Pandemie. Gleichzeitig stehen die Branche, ihre Fach- und Führungskräfte sowie die betrieblichen Mitbestimmungsakteure vor enormen Transformationsaufgaben. Der Fachkräftemangel erfordert, dass zeitnah mehr Menschen für die Arbeit gewonnen werden, die Beschäftigten entlastet und die Versorgungsqualität perspektivisch über einheitliche Personalbemessungsverfahren sichergestellt wird. Die Nutzung digitaler Technik wird als Option gesehen, neue Personal- und Qualifikationsmixe mit innovativen Modellen technisch gestützter Arbeitsorganisation zu verknüpfen.
Und auch aktuelle politische Gesetzesinitiativen, Förderprogramme und der Bedeutungsgewinn digitaler Technik im Zuge der Corona-Pandemie liefern Evidenz dafür, dass die Zukunft der Arbeit in der Altenpflege digitaler sein wird. Während jedoch Gestaltungsherausforderungen für „Gute Arbeit“ im digitalen Wandel der Krankenhäuser arbeitspolitisch bereits auf der Tagesordnung stehen, werden die Implikationen der Digitalisierung für Aneignungs- und Gestaltungsstrategien der Beschäftigten und ihrer betrieblichen Interessenvertretungen in der Altenpflege derzeit eher ausgeblendet.
Im Rahmen der „LABOR.A 2020“ im Oktober stellte Christine Ludwig, Wissenschaftlerin im Forschungsschwerpunkt „Arbeit und Wandel“ des Instituts „Arbeit und Technik“ (IAT) in Berlin eine IAT-Studie zum Thema Digitalisierung und Mitbestimmung in der Altenpflege vor. Sie basiert auf einer Online-Befragung von gewählten Interessenvertretern und -vertreterinnen. Zentrale Ergebnisse der Studie sind:
Die Interessenvertretungen verstehen die Digitalisierung als wichtiges Thema für ihre Gremienarbeit. Die Befragten stehen digitaler Technik grundsätzlich positiv gegenüber. In der Praxis mangelt es aber zu häufig noch an der entsprechenden Ausstattung und den technischen Voraussetzungen in den Einrichtungen. Wenn digitale Technik zum Einsatz kommt, sehen es die Befragten als die größten Herausforderungen, die nötigen Kompetenzen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu entwickeln sowie die Technik an die Bedarfe der Beschäftigten anzupassen. Dieses Ergebnis kann für die Gremien einen Impuls darstellen, sich dem Thema Personalentwicklung stärker zuzuwenden – ein Themenfeld, in dem sie über verbriefte Mitbestimmungsrechte verfügen.
Etwas mehr als die Hälfte der Befragten geben an, dass Betriebs- beziehungsweise Dienstvereinbarungen im Bereich Digitalisierung bisher nur eine geringe Rolle spielen. Dabei bieten gerade prozedurale Vereinbarungen eine große Chance. Sie legen ein mitbestimmtes Verfahren bei der Technikeinführung fest und geben somit einen Rahmen vor, ohne inhaltlich zu starre Vorgaben zu machen. Bisher gibt es solche Vereinbarungen in der Altenpflege kaum.
Die Studie des IAT zeigt aber auch: In vielen Einrichtungen ist der Grundstein für betriebliche Verfahren zur Technikeinführung und -bewertung bereits gelegt. Gut 28 Prozent der Befragten haben ein solches Verfahren bereits initiiert, weitere 26 Prozent planen dies.
„Die betrieblichen Interessenvertretungen in der Altenpflege sollten sich die Chance, bei der digitalen Transformation mitzubestimmen, nicht entgehen lassen“, meint Christine Ludwig. „Wenn sie sich frühzeitig einbringen, können sie gemeinsam mit ihren Kolleginnen die Grundlage dafür schaffen, dass die Lösungen bedarfsgerecht, passgenau und an den Nutzern und Nutzerinnen orientiert sind. Nur so bringt Digitalisierung eine echte Entlastung in der Arbeit und eine Verbesserung der Versorgung für die Pflegebedürftigen.“
Link zur Studie:
https://www.iat.eu/discussionpapers/download/IAT_Discussion_Paper_20_05.pdf