Der Kontakt zum Satelliten läuft über eine Bildschirmoberfläche, gesprochen wird aber über ein klassisches Funkmikrofon. Foto: WH/Niklas Lange
Die Gruppe nimmt ein Mikrofon in die Hand und spricht gemäß der internationalen Sprechfunk-Buchstabiertafel den Code „DK0WH“ als „Delta – Kilo – Zero – Whiskey – Hotel“. Es folgt die Anfrage zur Kontaktaufnahme. Sie warten. Sie wiederholen den Vorgang. Sie warten wieder. Als sie erneut etwas senden wollen, empfangen sie auf einmal ein Signal: Ein niederländischer Amateurfunker hat geantwortet und sie kommen in Kontakt mit ihm. Es entsteht ein nettes Gespräch, in dem zuerst über die eigene Funkstation gesprochen wird, aber schnell wechselt die Konversation, als wäre es eine normale Begegnung auf der Straße.
Das ist kein Einzelfall. Überall gibt es Menschen, die sich für moderne Funktechnik begeistern und die eine lebhafte Community aufgebaut haben. Allerdings spricht man nicht über Telefone, sondern nutzt den Satelliten „Es‘hail-2“, genauer dessen eingebaute Amateurfunk-Nutzlast QO-100. Es‘hail-2 ist ein geostationärer Telekommunikationssatellit, der von Gelsenkirchen aus gesehen in einer Entfernung von 38.752 Kilometern über Zentralafrika schwebt. Die Amateurfunknutzlast QO-100 ist seit Februar 2019 nutzbar. Über diese können Amateurfunker in ganz Europa und Afrika, von der Ostküste Südamerikas bis zum indischen Subkontinent, von Island bis zu den Inseln im indischen Ozean funken.
Seit April 2022 kann auch die Westfälische Hochschule von Gelsenkirchen aus den Satelliten nutzen. Im Rahmen des Moduls „Projektmanagement“ haben dazu fünf Studierende eine Sende- und Empfangsstation entwickelt. Zum Empfangen nutzen sie eine herkömmliche Satellitenschüssel, die so gut wie jeder schon auf den Dächern der Häuser für den Fernsehempfang gesehen hat. Allerdings mussten sie die Schüssel noch ein wenig technisch verändern: Die Studenten brachten einen rauscharmen Signalumsetzer mit verbesserter Frequenzstabilität an. Zum Senden dient eine selbstgebaute Helixantenne aus gewickeltem Draht. Ergebnis: Das Signal ist stark genug, um in dem bereitgestellten Frequenzband sowohl zu senden als auch deutlich empfangen zu werden. Über die Antenne wird das Signal als elektromagnetische Welle abgestrahlt, vom Satelliten empfangen und umgesetzt und von dort über dessen Abdeckungsbereich zurück auf die Erde geschickt. „Die Studierenden haben bewiesen“, so ihr Betreuuer Prof. Dr. Udo Jorczyk von der Abteilung „Physikalische Technik“, „dass sie die sehr komplexen technischen sowie mathematischen Sachverhalte aus den Vorlesungen in angewandter Form in ein technisches System umsetzen konnten und so das Projekt zum Erfolg gebracht haben.“
Da zum Funken eine Amateurfunklizenz nötig ist, dürfen die Studierenden nur im Beisein eines autorisierten Funkamateurs unter dem Ausbildungsrufzeichen funken. Durch eine Prüfung zum Nachweis der nötigen Kenntnisse und den anschließenden Erhalt eines eigenen Rufzeichens wird gesichert, dass anderweitiger Funkverkehr nicht behindert wird. Das Rufzeichen der Westfälischen Hochschule lautet DK0WH. Mit der Lizenz kann es losgehen und die (halbe) Welt steht den Funkenden offen.
Nutzen will die Abteilung „Physikalische Technik“ die Funkstrecke für Projekte sowohl in der Lehre als auch in der Forschung, etwa für Projekte in der Medizintechnik oder für digitale Sicherheit. Da die Datenübertragung ausschließlich über den angefunkten Satelliten erfolgt, macht das die Nutzung auch in entlegenen Gebieten ohne Internet oder Mobilfunknetz möglich. Von dort könnten also Daten aus Chiplaboren (Labs on a chip) über den Satelliten laufen und dadurch Hilfe ermöglichen, wo sonst keine Hilfe möglich wäre. Da es sich um sensible Daten handelt, muss besonderer Wert auf die Übertragungssicherheit gelegt werden. Jorczyk: „Wir haben dazu zwei Patente aus dem Bereich der digitalen Sicherheit angemeldet, die mittlwerweile auch erteilt wurden und hier greifen.“ (Alex Apt, Lino Feldmann, Thomas Krause, Barbara Laaser)
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