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Neue Technologien im afrikanischen Busch: Professorin berichtet über ihre Arbeit in Namibia

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© WH/Katja Becker

Ein besonderes Erlebnis für Prof. Katja Becker war der Besuch im Dorf der Ovahimba im Norden Namibias. © WH/Katja Becker

Sechs Monate verbrachte WH-Professorin Katja Becker bei einem Auslandsaufenthalt an der Namibia University of Science and Technology (NUST). Die Professorin für Medien- und Interfacedesign an der Gelsenkirchener Fachgruppe Informatik hospitierte im Rahmen eines Jobshadowings an der „Faculty of Computing and Informatics“ (FCI) der NUST und erhielt einen abwechslungsreichen Einblick in verschiedene akademische Bereiche sowie Land und Leute. Wir haben mit Katja Becker über ihre Zeit in Namibia gesprochen:

Frau Becker, was hat sie bewogen, ein Auslandssemester einzulegen und warum ausgerechnet Namibia?

„Ich war immer schon sehr an fremden Kulturen interessiert. Ich habe selbst ein Schuljahr in Neuseeland verbracht und unter anderem in New York gearbeitet. Seit 2010 besteht zwischen der Westfälischen Hochschule (WH) und der Namibia University of Science and Technology eine Hochschulpartnerschaft. Über ein vorangegangenes Projekt hatte ich bereits einen guten persönlichen Kontakt zur Universität und einigen NUST-Beschäftigten geknüpft. Die damit verbundenen fachlichen Aussichten haben mich sehr gereizt. Daher habe ich mich entschieden, mithilfe des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) ein Semester in der namibischen Hauptstadt Windhoek zu verbringen.“

Wie sah Ihre Tätigkeit während des Auslandsaufenthalts aus?

„Von Anfang September 2023 bis Ende Februar 2024 wurde ich in verschiedene Tätigkeiten und Aktivitäten des Fachbereichs integriert. Die NUST präsentiert sich in zahlreichen Formaten der Öffentlichkeit und pflegt spannende Kontakte zu NGOs und Unternehmen. Neben der Entwicklung von Curricula oder der Präsentation von Projekten hatte ich die Möglichkeit, an Konferenzbesuchen und Exkursionen der Universität teilzunehmen. Außerdem wurde ich auch in Lehrveranstaltungen einbezogen. So habe ich beispielsweise in der Lehrveranstaltung „Emerging Technologies“ über den Bereich „Spieleentwicklung“ und das Thema „automatisierte Bildgenerierung mit KI“ gesprochen. Ich habe aber auch in verschiedenen Projekten mit Schülerinnen und Schülern sowie indigenen Völkern mitgearbeitet. Mit 7- bis 9-Klässler:innen aus Katutura – einer vom Township-Charakter geprägten Vorstadt von Windhoek – haben wir beispielsweise einen spielbaren „Escape Room“ mit neuster Technologie umgesetzt. Die Jugendlichen haben im Rahmen dieses wöchentlichen Programms eigenständig vier Spielstationen entwickelt, bei der Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) zum Einsatz kamen. Ziel war hierbei, die Lese- und Rechenkompetenzen der Lernenden auf spielerische Weise zu verbessern und einen Zugang zu neuen Technologien zu geben.“

Welches Erlebnis ist Ihnen in besonderer Erinnerung geblieben?

„Meine schönste Erfahrung war der Besuch bei der halbnomadischen indigenen Gruppe der Ovahimba im Norden Namibias. Mit einem Team der NUST habe ich vier Tage vor Ort ohne fließendes Wasser, Strom und Internet verbracht. Die entlegenen Dörfer waren nur mit dem Jeep erreichbar, gekocht wurde über dem offenen Feuer und geschlafen haben wir im Zelt. Ich bin Teil des Forschungsclusters „Indiginous Knowledge“, das das Anliegen verfolgt, altes, indigenes Wissen mit verschiedensten modernen Mitteln zu bewahren. Im Sinne des partizipativen Designs haben wir neue Technologien für diese Dörfer nutzbar gemacht. Die Idee dahinter ist, nicht nur kulturelle Praktiken darzustellen und so zu erhalten, sondern auch auf politische Missstände hinzuweisen. So haben wir beispielsweise einen Podcast mit den San – einer weiteren indigenen Bevölkerungsgruppe – entwickelt, in dem es um kulturelle und politische Themen aber auch um Aktuelles aus dem Alltag ging. Stammestänze und das Jagen sind wichtige kulturelle Rituale beziehungsweise waren Lebensgrundlagen dieser Völker. Mittels VR haben wir es den Dorfbewohner:innen ermöglicht, nachgestellte Jagdszenen und traditionelle Tänze selbst zu erleben. Die mehrfache und intensive Zusammenarbeit mit den indigenen Menschen hat mich wirklich sehr beeindruckt.“

Was haben Sie als besonders herausfordernd empfunden?

„Die größte Herausforderung war die Visumsbeschaffung. Ich habe für meinen Aufenthalt ein Arbeitsvisum benötigt, für das die Botschaft von Namibia sehr viele Unterlagen anforderte. Die Beantragung hat viele Monate in Anspruch genommen und es kam letztendlich so, dass das Visum sogar erst in Namibia erteilt wurde. Die Einreise war dadurch etwas beschwerlich. Allen, die einen akademischen Aufenthalt planen, rate ich also, sich sehr frühzeitig und detailliert mit der Reiseorganisation zu befassen. Das International Office der WH war bei allem eine sehr große Hilfe und die Betreuung vor Ort durch die FCI war wirklich exzellent.“

Was haben Sie fachlich aus Ihrer Zeit in Windhoek mitgenommen?

„Fachlich ist die Faculty of Computing and Informatics sehr nah an den Themen unserer Fachgruppe an der Westfälischen Hochschule, somit war der Austausch für beide Seiten inhaltlich sehr gewinnbringend. Das Team war unglaublich offen und interessiert an der Zusammenarbeit. Ich durfte wirklich überall dabei sein und habe daher viel für mich mitnehmen können. Im Nachgang zu meinem Aufenthalt habe ich bereits vier wissenschaftliche Paper über die unterschiedlichen Projekte vor Ort bei verschiedenen Konferenzen eingereicht, drei davon sind bereits angenommen worden und werden veröffentlicht. Eine Weiterentwicklung des Podcast-Projekts werde ich beispielsweise auf der Fachkonferenz „Participatory Design Conference 2024“ in Malaysia im August vorstellen. Aus meinem Austausch zum Thema „automatisierte Bildgenerierung mit KI“ habe ich auch bereits Ideen für verschiedene Bachelor- und Masterprojekte abgeleitet, die ich direkt in meine Lehre einfließen lassen werde.“

Über die Partnerhochschule NUST

Die Namibia University of Science and Technology (NUST) ist eine staatliche Hochschule in der namibischen Hauptstadt Windhoek (Südwestafrika) mit über 17.000 Studierenden, die in Vollzeit, Teilzeit oder im Fernstudium studieren. Die Universität besteht aus vier Fakultäten (Faculty of Computing & Informatics, Faculty of Engineering and the Built Environment, Faculty of Commerce, Humanity Sciences and Education und Faculty of Health, Natural Resources and Applied Sciences). Das Studienangebot umfasst neben den ursprünglichen Zertifikats-, Diplom-, Bachelor- und Masterstudiengängen auch Promotionsstudiengänge.

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