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Persönliche Misserfolge als Schlüssel zum Erfolg: Inspirierende Geschichten bei der „FuckUp-Night Ruhrgebiet“

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Persönliche Misserfolge als Schlüssel zum Erfolg: Inspirierende Geschichten bei der „FuckUp-Night Ruhrgebiet“

Blick ins Publikum der „FuckUp-Night Ruhrgebiet Student Edition“ © WH/Yvonne Gather

Am vergangenen Donnerstag fand an der Westfälischen Hochschule die zweite Ausgabe der „FuckUp-Night Ruhrgebiet – Student Edition“ statt. Rund 50 Gäste lauschten gespannt den vier ehemaligen Studierenden, die ungezwungen und anschaulich über ihre persönlichen Misserfolge berichteten – und warum diese rückblickend eigentlich doch Erfolge sind.

Den Auftakt machte Norbert Nesterenko. Der Lebensweg des Japan-Fans führte über viele Höhen und Tiefen doch zu seinem Wunsch-Job. Nach einer holprigen Schullaufbahn vom Gymnasium über die Real- und Hauptschule bis hin zum Abitur mit einem Schnitt von 1,8 an einer Privatschule, folgte der Einstieg ins Informatik-Studium. „Ich hatte es nicht nur zum Studium geschafft, sondern auch ein Stipendium erhalten. Aber es war einfach nicht das, was ich wollte. Dann habe ich ein Coding-Camp gewonnen und hatte so die Gelegenheit, nach Japan zu gehen. Mir gefiel das super, dem Förderer meines Stipendiums leider gar nicht. Bis auf ein paar Brocken konnte ich kein Japanisch und habe erstmal in einer Shisha-Bar gejobbt und von BAföG gelebt. Irgendwann habe ich angefangen, nebenbei im Auftrag einer japanischen Firma Spiele zu programmieren. Und obwohl ich 12 bis 14 Stunden pro Tag gearbeitet habe, hat mich das nicht gestört – denn es war endlich das, was ich wirklich machen wollte.“ In dem Unternehmen, das ihm ein Bachelorstudium an einer privaten deutschen Hochschule ermöglichte, arbeitet der 26-Jährige bis heute – aus dem Homeoffice in Deutschland. Sein Fazit: „Auch wenn man zweifelt, just do it. Und manchmal braucht es nur einen wirklich guten Freund.“ 

Im Anschluss übernahm Kathrin „Kathi“ Heinrichs das Mikro und berichtete über ihre Erfahrungen als Lehramtsstudentin an der Uni Hamburg. „Der Bachelor klappte reibungslos, aber dann kam das Masterstudium – und das 4-monatige Praxissemester. Schon nach kurzer Zeit habe ich festgestellt ’Ich will gar nicht mehr Lehrerin werden, ich bin nicht der Typ dafür‘. Da war ich aber bereits im dritten Semester des Masters und dachte, dass ich doch jetzt nicht mehr abbrechen kann!“, so die 31-Jährige, die seit ihrer Geburt gehörlos ist. Der Austausch mit anderen Lehrerinnen und Lehrern brachte dann die Gewissheit, dass ein Plan B hermusste: „Innerlich war mir klar, dass ich wechseln muss. Es meinen Eltern zu sagen, war für mich die größte Hürde. Ich wäre die erste Pädagogin in unserer Familie gewesen und meine Eltern fanden meine Studienentscheidung damals sehr gut. Aber ich wusste auch, dass ich nicht den Rest meines Lebens mit einem langen Gesicht zur Arbeit gehen kann.“ Heute studiert Kathi Heinrich Gesundheitswirtschaft im Master an der Ruhr-Universität Bochum und arbeitet an der Gründung ihres Start-ups, um die Barrierefreiheit zu fördern. „Ich habe für mich mitgenommen, dass man nicht nur einmal lebt, dass es kein Drama ist, sich umzuentscheiden, aber dass man einen Plan B haben sollte“, so ihr Resümee. 

Einen gänzlich anderen Weg nahm auch die Karriere von Annika Neuwinger. Für die technikversierte 25-Jährige stand schon früh fest, dass sie Maschinenbau studieren möchte. Für ein duales Studium ging es daher 2016 für sie ins Ruhrgebiet: „Ich war richtig motiviert. Auf eigenen Beinen, in der eigenen Wohnung.“ Nach zwei Jahren hatte sie ihre Ausbildung zur Industriemechanikerin erfolgreich abgeschlossen, es folgte zusätzlich zum Studium ein Training-on-the-job mit Montageeinsätzen in Deutschland und Europa. „Dann kam der Dämpfer“, so Annika Neuwinger. „Immer häufiger kam die Frage ’Was machst du hier als Frau in diesem Männerberuf?’. Anfangs hat mich das nicht beeindruckt, aber dann wurden die Sprüche immer persönlicher und es kippte ins Mobbing.“ Die psychische Belastung paarte sich mit immensem Lerndruck: „Nach mehrwöchigen Montageeinsätzen kam ich nach Hause und habe versucht, den Stoff aus dem Studium in viel zu kurzer Zeit nachzuholen.“ Nach einer missglückten Abschlussprüfung und einem verlorenen Arbeitsvertrag suchte Annika Neuwinger sich psychologische Hilfe: „Auch wenn es anfangs hart ist, sich so intensiv mit sich selbst auseinanderzusetzen, hat mir der Austausch doch sehr geholfen. Mir ist klar geworden, dass man den Kopf nicht in den Sand stecken darf, dass es gut ist, sich bei anderen Hilfe zu holen und dass die Gesundheit an erster Stelle steht.“ Heute arbeitet die 25-Jährige als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Westfälischen Hochschule.

Zum Abschluss des Abends sprach Babeethan Ketheeswaran über sein persönliches FuckUp: „Als andere Jugendliche angefangen haben, sich für Mädchen zu interessieren, habe ich Indiana Jones abgefeiert. Ich wollte immer Archäologe werden. Da ich aber aus einem konservativen Elternhaus komme und meine Eltern viel Wert auf Bildung gelegt haben, habe ich pro forma erstmal ein Semester Jura an der Ruhr-Uni Bochum studiert. Tatsächlich saß ich aber nicht bei den Juristen, sondern in den Archäologie-Vorlesungen“, erzählt Babeethan. „Irgendwann ist mir klar geworden, dass ich ehrlich mit mir selbst sein muss und habe das Studienfach gewechselt, auch wenn meine Eltern traurig über diese Entscheidung waren. Die Praxisanteile im Archäologiestudium habe ich geliebt, aber die Theorie war komplett anders, als ich es mir dank Indiana Jones immer vorgestellt hatte. Dazu kamen Zukunftsängste, was ich mit dem Fach später anfangen soll“, räumt er ein. Um sich zu finanzieren, fing der Student an, in einem Kino zu jobben. „Als dann der Betrieb meiner Eltern finanzielle Probleme bekam, habe ich das als dankbare Ausrede genommen, warum ich zu ihrer Unterstützung noch mehr im Kino arbeiten muss und nicht mehr so viel studieren kann. Irgendwann musste ich aber eine Entscheidung treffen.“ Heute ist Babeethan Ketheeswaran als Gesamtbetriebsleiter für sechs Kinos im Ruhrgebiet beruflich gut angekommen. „Mein Chef hat mich damals sehr gefördert, dafür bin ich dankbar. Ich kann jedem nur raten, sich selbst nicht anzulügen, wenn man merkt, dass es mit der ursprünglichen Entscheidung nicht mehr geht und man sich anders entscheiden muss.“ Stolz ist seine Mutter übrigens heute trotzdem. Das Foto von Babeethan im Original-Manta aus dem Film „Manta Manta“ hat sie im Portemonnaie.

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