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Im Hochschul-Dachgarten gärtnert zukünftig der FarmBot

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Sieht nach wenig aus, kann aber eine ganze Menge: Der „FarmBot“ ist auf einem speziell entwickelten Schienensystem montiert, das entlang der sechs Meter langen Seite des Hochbeets verläuft. 
© WH/Yvonne Gather

Sieht nach wenig aus, kann aber eine ganze Menge: Der „FarmBot“ ist auf einem speziell entwickelten Schienensystem montiert, das entlang der sechs Meter langen Seite des Hochbeets verläuft. © WH/Yvonne Gather

Nach dem Start der Rooftop-Farm auf dem Dach der Westfälischen Hochschule im vergangenen Jahr freut sich das Team der Halle1 nicht nur bei den Pflanzen über Zuwachs: Zukünftig kümmert sich ein FarmBot um ein großes Hochbeet mit Möhren, Salat, Kohlrabi und vielem mehr. Der Einsatz des Roboters, gepaart mit einem innovativen Kreislaufwirtschafts-Konzept, soll Aufschluss darüber geben, wie der Anbau von Nutzpflanzen ressourcenschonender gelingen kann.

Rund Dreiviertel aller Insektenarten sind in Deutschland bereits ausgestorben – mit schwerwiegenden Auswirkungen sowohl auf die Biodiversität als auch die Biomasse der Insekten: Die Pflanzenbestäubung nimmt ab und bestimmte Insektenarten können sich aus Mangel an natürlichen Feinden ungehindert vermehren. In der Folge kommt es zu einem ökologischen Ungleichgewicht, das insbesondere langfristig zu Problemen beim Anbau von Nutzpflanzen führt. Um dauerhaft bestehen zu können, benötigt die Gesellschaft daher einen umfassenden Wandel in Ernährungsweise und Agrarwirtschaft.

„Nachhaltiger Anbau in großem Stil erfordert innovative Konzepte wie den „FarmBot“, der den Anbau von Mischkulturen ermöglicht und dabei vollständig auf künstliche Pflanzenschutzmittel verzichtet. Forschung im Bereich der organischen Hydrokulturen und der Kreislaufwirtschaft in flüssiger Form ist ebenso essentiell“, erklärt Mario Zwiers von der Halle1, dem MakerSpace der Westfälischen Hochschule am Standort Gelsenkirchen. Gemeinsam mit Lukas Pawluc hat er das Projekt Rooftop-Farm konzipiert. „Unser Dachgarten soll als Versuchsanlage dienen, in der solche Anbaumethoden getestet und weiterentwickelt werden können.“

Gesamtansicht auf das Hochbeet im Dachgarten der Westfälischen Hochschule
Im 18 qm großen Hochbeet wachsen Nutzpflanzen wie Salat, Rüben u. a. unter idealen Bedingungen. © WH/Yvonne Gather

Ressourcenschonend, auf kleinem Raum, ohne Pestizide
Als Versuchsfläche für die Erprobung des Roboters sowie eines Kreislaufwirtschaftssystems nutzt das Team ein selbst gebautes, 18 Quadratmeter großes Hochbeet auf dem Dach der Hochschule. Für die Befüllung wurde mit der sogenannten „Terra Preta“ auf ein besonderes Substrat gesetzt, das pro Kubikmeter etwa eine Tonne CO2 binden kann.„Wir haben zudem ein Drainagesystem unterhalb des Beetes angebracht, mit dem wir das überschüssige Wasser und die darin enthaltenen Nährstoffe auffangen und ressourcenschonend weiterverwenden können“, berichtet Lukas Pawluc. Der Fokus liegt hier vor allem auf dem geschlossenen Kreislauf: Das überschüssige Wasser enthält gebundene Nährstoffe und wird gespeichert, um es erneut zur Bewässerung nutzen zu können und die wertvollen Mineralien nicht zu verlieren. „Wir gehen davon aus, dass auf diese Weise nur etwa 20 Prozent des benötigten Wassers extern zugeführt werden müssen. Generell muss der Anbau von Lebensmitteln in Kreisläufen gedacht werden. Erst dann können wir tatsächlich über Nachhaltigkeit sprechen. Pflanzenverschnitt, Reste und der Rücklauf von nicht verwertetem Gemüse und ähnlichem sollten durch Kompostierung und Fermentation wieder in den Kreislauf zurückgeführt werden, da sonst die Böden immer weniger Nährstoffe enthalten werden“, ergänzt Mario Zwiers.

Detailansicht des Roboterkopfes. © WH/Yvonne Gather

Der gärtnernde Roboter
Einen weiteren Beitrag zum ressourcenschonenden Pflanzenanbau leistet der „FarmBot“. Dabei handelt es sich um ein Open-Source-Automatisierungssystem für die Landwirtschaft, aber auch für diejenigen, die auf Selbstversorgung setzen. Der Roboter übernimmt automatisiert gärtnerische Tätigkeiten wie das Gießen, Sähen, Unkrautjäten sowie das Überwachen des Pflanzenwachstums. Mithilfe von Sensoren erkennt er dabei genau, wo im Beet sich welche Pflanze befindet oder ob es sich bei Unkraut um nützliches Beikraut oder schädliche Pflanzen handelt. Gleichzeitig ermöglichen die Sensoren das Sammeln von Daten für eine Auswertung und Weiterentwicklung des Hochbeets. „Baupläne und der Software-Code sind frei zugänglich, sodass sich das System an den individuellen Bedarf anpassen und dafür optimieren lässt“, so Lukas Pawluc. Der Roboter wurde auf einem Schienensystem an den Seiten des Beets montiert. So kann er die drei mal sechs Meter große Fläche vollständig abfahren, während der Kopf des „FarmBots“ die Pflanzen mit Sensoren überwachen und speziellen Aufsätzen verpflegen kann. „Wir arbeiten noch an der Optimierung des Hochbeets und der technischen Komponenten, aber die erste Gemüse-Ernte steht schon bald an“, erklären die wissenschaftlichen Mitarbeiter.

Ansicht einer Rübe, die im Hochbeet im Dachgarten gewachsen ist
Ernte aus dem Hochbeet. © WH/Yvonne Gather

Auch das Team soll weiterwachsen
Seit Mai 2024 wird das Dachgarten-Projekt durch die tatkräftige Unterstützung von Paula Gronefeld bereichert. Die Maschinenbau-Studentin ist studentische Hilfskraft in der Halle1 und bringt fundierte Kenntnisse im Bereich der Pflanzenkultivierung mit. Dank ihrer aktiven Teilnahme an einer Solidarischen Landwirtschaft (SoLaWi) in den letzten Jahren verfügt sie über technisches Wissen und praxisnahe Erfahrung aus der Landwirtschaft – nützliches Know-how, mit dem sie das Dachgarten-Projekt zukünftig voranbringen möchte. „Wir freuen uns über alle Interessierten, die Lust haben, sich bei der Entwicklung des Dachgartens zu beteiligen, sich uns anzuschließen oder eigene Projekte einzubringen. Wir haben hier eine offene Versuchsfläche für nachhaltiges Gärtnern und vielfältige, innovative Projekte.“

Für 2025 hat das Team bereits eine Reihe von inspirierenden Workshops und Kursen speziell für Schülerinnen und Schüler geplant. Weitere Informationen sowie eine ausführliche Bildergalerie zum Dachgarten gibt es unter https://halle1wh.de/rooftop-farm/.

…noch zwei Fragen an Mario Zwiers:

Worin genau liegen die Probleme beim Anbau von Nutzpflanzen bei der gegenwärtigen Art der Agrarwirtschaft?
MZ: Wir alle kennen die Berichterstattung über die Schäden, die zum Beispiel die massenhafte Vermehrung des Borkenkäfers angerichtet hat und auch immer noch anrichtet. Durch das Ungleichgewicht im Ökosystem mangelt es bei bestimmten Insektenarten an Diversität und natürlichen Feinden. Das führt langfristig zu Problemen beim Anbau von Nutzpflanzen. Ursächlich hierfür sind Monokulturen, der Flächenverlust und fehlende Rückzugsorte für Tiere in Wäldern. Darüber hinaus tragen Neonikotinoide, Pestizide und andere Insektizide, die in der großflächigen Landwirtschaft unerlässlich geworden sind, zur nachhaltigen Schädigung unseres Grundwassers bei und setzen der Biodiversität erheblich zu.

Wie kann eine zukunftsfähige Landwirtschaft aussehen?
MZ: Um die wachsende Weltbevölkerung auch zukünftig ernähren zu können, ist nicht nur eine massive Verhaltensänderung notwendig, sondern es bedarf auch alternativer Anbaumethoden. Diese sollten idealerweise auf organischen statt mineralischen Düngern basieren. Derzeit wird ein Großteil des Gemüses in Monokulturen innerhalb von Gewächshäusern auf mineralischen Hydrokulturen angebaut. Dieses System erfordert den Einsatz diverser Pestizide und ist umweltschädlich. Zudem wird ein größerer Teil dieser Lebensmittel als Tierfutter exportiert, was die Effizienz weiter mindert. Die Gesellschaft benötigt einen umfassenden Wandel in der Ernährung und Agrarwirtschaft, um dauerhaft bestehen zu können. Es müssen innovative Konzepte für den Anbau in Mischkulturen und für den vollständigen Verzicht auf Pflanzenschutzmittel entwickelt werden. Zudem ist es entscheidend, in Kreisläufen zu denken, damit möglichst wenig wertvolle Nährstoffe verloren gehen. Das Thema wird kurz- und langfristig jede und jeden von uns betreffen, wir müssen uns bewegen, um diese Herausforderung zu meistern.

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