Sonde unterstützt mit KI Luftreinhaltung und effizientes Düngen
Das „SEND“-Projektteam: (v. l. n. r.): Pieter Try, Martin Pliete, Lino Feldmann, Marion Gebhard, Raphael Parsiegel, Miguel Budag-Becker, Joscha Siewert. © WH/Lorenz
Der Einsatz stickstoffhaltiger Düngemittel ist aus der heutigen Landwirtschaft nicht mehr wegzudenken, um den Bedarf an Nahrungs- und Futtermitteln zu decken. Jedoch werden nach jedem Düngevorgang aufgrund der Nährstoffanreicherung auch schädliche Gase wie beispielsweise Ammoniak aus dem Boden freigesetzt. Diese richten an Land- und Wasserökosystemen erheblichen Schaden an. Auch in der Nutztierhaltung spielen diese Immissionen für das Tierwohl eine wichtige Rolle. Das Projektteam von Prof. Dr. Marion Gebhard hat über ein Jahr lang an einer Sonde gearbeitet, die Messwerte liefert, um Minderungsmaßnahmen für diese Schadgase effizient zu bewerten. Das Projekt „SEND“ wurde im Rahmen der hochschulweiten 4. Research Challenge mit 50.000 Euro gefördert und erhielt bei der „3. NXP Hovergames Challenge“ den „Bosch Sensortec Sustainability Award“.
Das Projekt von Prof. Dr. Marion Gebhard aus dem Fachbereich Elektrotechnik und Angewandte Naturwissenschaften, Arbeitsgruppe Sensortechnik und Aktorik, konnte bei der 4. Research Challenge der Westfälischen Hochschule überzeugen. Das Projekt wurde bis Ende Januar 2024 mit 50.000 Euro gefördert. Ziel des hochschulinternen Wettbewerbs ist die Unterstützung von Forschungsprojekten mit Nachhaltigkeitsbezug.
Die Sonde und die mit Sensortechnik ausgestattete Drohne des Forschungsteams sollen dazu beitragen, die notwendigen Mengen für eine effiziente Düngung auf Agrarflächen aufgrund gesammelter Messwerte besser zu bewerten. Denn: Die Landwirtschaft befindet sich heute in einem Spannungsfeld. Auf der einen Seite stellen der Einsatz von Düngemitteln auf landwirtschaftlich genutzten Flächen sowie die Nutztierhaltung klimarelevante Faktoren dar. Eine Reduzierung der landwirtschaftlich verursachten Emissionen sowie eine Optimierung der Maßnahmen zur Luftreinhaltung werden angestrebt. Dem gegenüber steht die kosteneffiziente Produktion von Nahrungs- und Futtermitteln, für die der Einsatz von Düngemitteln unabdingbar ist. Bisher dient der vom Weltklimarat festgelegte Emissionsfaktor als Orientierung für die maximale Düngemittel-Menge, die auf die Flächen aufgebracht werden kann. Für dessen Berechnung werden jedoch unzureichende bzw. nicht aktuelle Messdaten aus den vergangenen Jahrzenten herangezogen. „Für die Landwirte ist die richtige Bewertung des Emissionsfaktors durch die Politik jedoch von entscheidender Bedeutung, damit eine realistisch erforderliche Menge Düngemittel auf die Felder gebracht werden kann, ohne dass daraus eine Ertragsminderung resultiert“, so Prof. Gebhard und erklärt weiter: „Für die effiziente Beurteilung von Minderungsmaßnahmen zur Reduzierung der Schadgas-Emissionen können unsere Messmethoden einen wichtigen Beitrag leisten.“
Bislang erfolgten die Messungen personalintensiv mit Hilfe sehr teurer Messgeräte. Während diese etwa einen Messwert pro Stunde lieferten, produziert die vom Projektteam der WH entwickelte Methode in der gleichen Zeit 100 Messwerte. Dabei ist die eingesetzte Sonde nur handgroß und nicht wie üblich ein wagenfüllendes Gerät, was orts- und zeitaufgelöste Messungen ermöglicht. Der in der Sonde verbaute Sensor misst inklusive Gehäuse nur circa 6 cm. „Diesen Sensor nutzen wir zum Trainieren, um die Daten zu generieren, die wir für das Anlernen einer KI benötigen. Wenn der KI-Code auf den Microcontroller portiert wurde, wird er nur noch halb so groß sein“, erklärt die Professorin, „somit kann der Sensor z. B. problemlos an einer Drohne oder an der Decke eines Stalls angebracht werden und ist damit sehr platzsparend.“ Vom Funktionsprinzip her handelt es sich nicht um einen neu entwickelten Sensor, er wird durch den Einsatz von KI jedoch dazu befähigt charakteristische Daten für ein zu detektierendes Gas zu liefern. Damit können Anwender:innen aufgrund ihrer kontextbasierten Kenntnis über Eingabe von Betriebsdaten des Sensors, wie der temperaturzyklischen Operation, Fingerabdrücke zur Erkennung verschiedener Gase einstellen. Sensoren auf diese Art zu modulieren, war vorher nicht möglich.
Auch in der Nutztierhaltung könnte die Sonde zukünftig bei der Ermittlung wichtiger Messwerte unterstützen. Als „digitale Nase“ im Tierstall kann sie dazu beitragen, zu hohe Ammoniakkonzentrationen, die z. B. durch Ausscheidungen entstehen und die Gesundheit der Tiere potenziell gefährden, frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig Gegen-Maßnahmen zu ergreifen. Im Bereich der Nutztierhaltung befindet sich die Forschung zu den Auswirkungen von Ammoniak auf das Tierwohl jedoch noch am Anfang.
Projekt überzeugte auch bei weiterer Challenge
Bei der „NXP Hovergames Challenge: Land, Sky, Food Supply“ hat das Team 2023 den „Bosch Sensortec Sustainability Award“ gewonnen. Die Aufgabe des sechsmonatigen Wettbewerbs bestand darin, innovative Lösungen unter Einsatz von Drohnen bzw. Rovern für eine nachhaltige Nahrungsmittelproduktion zu entwickeln. Die Zahl der Teilnehmenden lag bei 440 mit 28 eingereichten Projekten. Das WH-Team Sensortechnik und Aktorik hat eine Drohne mit Ammoniak-Sonde unter vielen Herausforderungen wie z. B. der Aufwirbelung von Luft über dem Feld durch die Propeller der Drohne, entwickelt. Das Projekt ist ein erster Schritt in Richtung eines neuen, kosteneffektiven Werkzeugs für landwirtschaftliche Akteure, um verschiedene Düngerbehandlungen oder Ausbringungsmethoden zu vergleichen und zu optimieren und ein Verständnis für den effizienten Einsatz von Düngern ohne Kompromittierung der Ernteerträge zu erreichen. Das Team arbeitet gemeinsam mit BoschSensortec an der weiteren Gestaltung der KI-Sensortechnik zum Emissionsmonitoring in der Landwirtschaft.